30 Millionen Euro und viel Ärger: Ist Nmecha das für den BVB wert?

Der jetzt vollzogene Wechsel von Felix Nmecha zu Borussia Dortmund, um Jude Bellingham zu ersetzen, stößt bei den Fans der Borussia und darüber hinaus auf Ablehnung. Die Verpflichtung des 22-jährigen Spielers sorgt für große Empörung aufgrund seiner christlichen Überzeugungen und den damit verbundenen radikalen Standpunkten.

Nachdem der Transfer endlich abgeschlossen war, äußerte Felix Nmecha in seinem ersten Interview als Spieler des Rekordvizemeisters Sätze, die an andere Sätze erinnerten. „Ich liebe alle Leute“, sagte der Neu-Dortmunder und bat um eine Chance, ihn kennenzulernen.

Kontroverse um den Transfer

Die Umstände hatten ihn dazu gezwungen. Er wollte lediglich den Verein wechseln, vom beschaulichen Wolfsburg zum aufgeregten BVB im Ruhrpott. Doch der 30-Millionen-Euro-Transfer, der ihn als möglichen Nachfolger von Jude Bellingham sah, hatte in den letzten Wochen für große Unruhe gesorgt und sogar den normalerweise schweigsamen Präsidenten von Borussia Dortmund auf den Plan gerufen.

Auch BVB-Boss Hans-Joachim Watzke äußerte sich zu dem Thema. Noch vor Abschluss des Transfers sagte der Geschäftsführer der „Süddeutschen Zeitung“, dass Felix Nmecha ein ganz normaler Junge und ein normaler junger Fußballer sei. Diese Aussage war an sich schon ungewöhnlich, da über Spieler eines anderen Vereins selten öffentlich gesprochen wird.

Bereits zuvor hatte die Vereinsführung, bestehend aus Watzke und Präsident Reinhard Lunow, ein Treffen mit Nmecha abgehalten, um festzustellen, ob der zukünftige Spieler des Klubs tragbar sei. Die interne Meinung war positiv, auch Lunow, der zuvor Vertreter des queeren Fanclubs „Rainbow Borussen“ und andere Repräsentanten getroffen hatte, unterstützte diese Entscheidung.

Als Nmecha nach langwierigen Wochen endlich verpflichtet war, äußerte sich schließlich auch Präsident Reinhold Lunow öffentlich. Lunow, der seit Ende 2022 an der Spitze des Vereins steht und bisher noch nicht durch größere Äußerungen aufgefallen war, twitterte: „Die Verpflichtung von Felix Nmecha hat zu kontroversen Diskussionen geführt, da er Inhalte geteilt hatte, die durchaus als homophob oder queerfeindlich interpretiert werden können. Auch ich hatte deshalb zunächst große Bedenken, ob er die Werte unserer Borussia teilt.“

Lunows Äußerung stieß ebenfalls auf Kritik, denn aus Sicht der Protestierenden hatte Nmecha nicht nur Inhalte geteilt, die als homophob oder queerfeindlich interpretiert werden könnten, sondern Inhalte, die zwangsläufig als homophob und queerfeindlich interpretiert werden müssen. Ein eklatanter Unterschied.

Der Ursprung der Debatte

Die Debatte entzündete sich an Felix Nmechas streng religiösem evangelikalem Glauben. Dieser Glaube mit erzkonservativen Ansichten ist in den USA einflussreich. Nmecha macht daraus keinen Hehl. Damit unterscheidet er sich nicht von vielen anderen Bundesliga-Profis, die sich ebenfalls in den sozialen Medien wiederholt bei Jesus bedanken, Bibelverse zitieren und daraus Kraft schöpfen wollen.

In einem Interview mit ran.de im März 2022 vor seinem Debüt in der U21-Nationalmannschaft sagte er: „Ich spiele Fußball nicht für andere Leute, sondern für Gott. Deshalb verspüre ich keinen Druck. Ich will hart arbeiten und es so gut wie möglich machen, den Rest überlasse ich Gott.“ Sein Aufstieg ging weiter, und Gott, wenn man so will, meinte es gut mit ihm und führte ihn dann doch in Versuchung.

Im Februar teilte er ein Video des US-amerikanischen Rechtspopulisten Matt Walsh, der seine Transfeindlichkeit und Ablehnung der LGBTQ-Rechte immer wieder zur Schau stellt und sich selbst auf Twitter als „theokratischen Faschisten“ bezeichnet. Anfang Juni, während des Pride-Monats, teilte er ein Video von einem Account mit dem Namen „Reformedbychrist“. In dem Beitrag wurde der Begriff „Pride“ dem Teufel zugeordnet.

Für die Fans von Borussia Dortmund und darüber hinaus war damit eine Grenze überschritten. Es spielte keine Rolle, dass Nmecha diese Beiträge später löschte, denn das Internet dokumentiert und vergisst nie. Durch seine Postings hatte er zumindest den Grundwertekodex des BVB verletzt und galt somit als untragbar. „Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung. (…)“, heißt es in der Vereinsaussage.

Gesellschaftliche Implikationen und Meinungsverschiedenheiten

Die Debatte eskalierte, obwohl der Spieler die Vorwürfe bereits im April und später erneut zurückwies. Er betonte, dass er alle Menschen liebe und bereue, den Post von Walsh geteilt zu haben. Vor allem wisse er nicht einmal, ob dieser überhaupt Christ sei. Trotzdem arbeitete der BVB weiter am Transfer, der dann jedoch für großen Wirbel sorgte. Die Tatsache, dass der Verein ihm die Chance auf ein persönliches Gespräch einräumen wollte, änderte nichts daran.

Das Fanzine schwatzgelb.de schrieb: „Reichlich, wenn auch nicht alle, Menschen, die diesen Transfer verteidigen, haben noch andere Ansichten, die gefährlich werden. So gibt man denen, die das so verstehen wollen, die Interpretationsmöglichkeit, dass ein großer Verein wie Borussia Dortmund ja auch nur dem Woke-Zwang unterlag, aber nun wohl langsam zur ‚Vernunft‘ kommt.“ Diese Worte verdeutlichen die digitale Spaltung innerhalb des Vereins und zeigen die Zerrissenheit der Gesellschaft, die die Mitte allmählich aufgibt.

Es bleibt abzuwarten, wie sehr der Ärger aus den Foren und den sozialen Medien in die reale Welt transportiert wird. Es ist klar, dass die Fanszene in Dortmund gespalten ist. Einige schreien ihren Unmut heraus und drohen mit dem Austritt aus dem Verein, während sich andere angesichts der Wut kaum trauen, ihre eigene Position zu formulieren. Was sich in Dortmund abspielt, ist ein weiteres Beispiel für die zunehmende Kluft zwischen verschiedenen Realitäten und Wahrheiten. Die Mitte wird zerrissen und kann keinen Dialog mehr ermöglichen, ohne von den extremistischen Standpunkten beider Seiten aufgezehrt zu werden.

Sportliche Herausforderungen

Mit Felix Nmecha hat Borussia Dortmund auch gesellschaftliche Implikationen eingekauft. Die Öffentlichkeit, der es in Wolfsburg weitgehend egal war, was der 22-Jährige dachte und in den sozialen Medien teilte, betrachtet ihn nun kritisch. Dabei ist die sportliche Aufgabe für Nmecha bereits monumental.

Der Nationalspieler soll den wahrscheinlich für rund 130 Millionen Euro zu Real Madrid abgewanderten Jude Bellingham ersetzen. Das wird bereits an sich eine schwierige Aufgabe, da Bellingham ein „Jahrhunderttalent“ ist, also ein Spieler, den es äußerst selten gibt. Der erst 20-Jährige war, auch mangels anderer Führungspersönlichkeiten, der Kopf der Mannschaft, dirigierte das Spiel auf dem Platz, überwand Gegenspieler reihenweise, erzielte wichtige Tore und war ein Fanliebling.